Ein Verfassungsschützer geht an die Öffentlichkeit, spricht aus, was sich viele Bürger denken und warnt ob der Zustände innerhalb des Dienstes. 

Die Schwäbische Zeitung bringt eine anonyme Stimme aus dem deutschen Verfassungsschutz. Der Verfassungsschützer Gregor S. (Name geändert) schlägt Alarm, da Deutschland immer schneller zu einem autoritären Staat umgebaut werde.

Diese Diagnose, dürfte nicht allzu viele Leser überraschen. Eine Stimme aus dem Inlands-Geheimdienst ist trotzdem neu. S. meint: „Was gestern legale Kritik war, kann heute ein Grund sein, ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten.“ Die Meinungsfreiheit – die Grundlage der bürgerlichen Freiheiten – ist schärfsten unter Druck. Manch andere sagen sogar, sie sei nur noch eine Fassade.

Dem Journalisten Phillippe Debionne gelingt der viel geteilte Artikel, der Gregor S. portraitiert – und seine Desillusionierung darstellt. S. wollte Deutschland schützen: „vor Rechtsextremen, vor Linksextremen, vor radikalen Islamisten, vor allen, die dem Land, seinem Grundgesetz und den rund 80 Millionen Bewohnern Schaden zufügen möchten.“ Mittlerweile müsse man das Land aber vor dem Verfassungsschutz selbst schützen. Denn dieser würde auch immer mehr unbescholtene Bürger ins Visier nehmen: „Die Ängste vieler Menschen, dass hier derzeit ein Überwachungsstaat wie in der DDR aufgebaut wird, diese Ängste sind nicht ganz unberechtigt, ja.“

Im Beisein seiner Anwältin sagt er: „Die Menschen müssen erfahren, was da Tag für Tag passiert beim Verfassungsschutz.“ Dann beschreibt er dramatische Zustände innerhalb des Dienstes: zu wenig Sicherheitsvorkehrungen, zu schlechte Ausbildungen – das Ausland würde über den deutschen Dienst „lachen“.

Wozu das führt? Weil der Dienst es „mit ernstzunehmenden Gegnern wie wirklich gewaltbereiten Links- oder Rechtsterroristen oder radikalen und teils kriegserfahrenen Islamisten nicht aufnehmen kann, kümmert er sich zunehmend um Leute, die eigentlich gar kein Fall für den Verfassungsschutz sind. Und in der Vergangenheit auch nicht waren.“

Die Schwäbische Zeitung schreibt weiter:

Ein Beispiel hierfür, sagt der 36-Jährige, sei die neue Extremismus-Kategorie „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“. Hier würden „durch eine Umdeutung und Pervertierung der Sprache“ neue Stichwörter geschaffen, durch die Menschen bereits zum Verdachtsfall werden würden. „Was gestern legale Kritik war, kann heute ein Grund sein, ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten“, sagt S. Und weiter: „Plötzlich wird versucht, auch Menschen zu diskreditieren, zu dämonisieren und auszugrenzen, bei denen das vor wenigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen wäre. Bei denen man gesagt hat, das ist doch alles im völlig normalen und verfassungsmäßigen Rahmen.“

Man müsse sich bewusst machen, wie ein Nachrichtendienst arbeitet: „Wenn man etwa eine Organisationsstruktur aufklären will, guckt man sich natürlich auch an, mit wem die Zielpersonen verkehrt. Und dann überprüfen wir auch diese Leute. Wir durchleuchten das Umfeld, den Arbeitgeber, die Geliebte, die Kumpels, die zum Grillen kommen, also eigentlich alles, was wir finden können. Wir versuchen, ein Gesamtbild zu bekommen. Das machen wir nach handwerklichen Regeln, und diese Regeln sind für alle gleich, egal ob Linksextremist oder Staatsdelegitimierer. Wir machen alles, was das Handwerk hergibt und fahren alles auf, was wir bei echten Extremisten auch auffahren.“

Der Bericht von Debionne dürfte innerhalb des Verfassungsschutzes für ordentlich Unruhe sorgen. Offiziell konfrontiert mit den Vorwürfen windet man sich hinaus, und sagt etwa: „Die Meinungsfreiheit hat Grenzen.“