wenn es nach den Deutschen geht. Die Norweger hingegen sehen das anders: Bei ihnen wächst offenbar der Widerstand.

Beeindruckend: Laut der Außenhandelskammer Norwegen (AHK) belief sich 2022 die Jahresproduktion des skandinavischen Landes von Öl und Gas auf rund 232 Millionen Standardkubikmeter Öläquivalente. Norwegen ist damit als Produzent Marktführer im europäischen Wirtschaftsraum. Immerhin verfügt das Land reichlich an fossilen Bodenschätzen. Aber auch die Voraussetzungen für Ökostrom und grünen Wasserstoff erfüllt es blendend. Da liegt es doch auf der Hand, einen Teil vom Kuchen abzugeben, oder?

Der Pro-Kopf-Stromverbrauch ist in Norwegen mit fast 22.400 Kilowattstunden (kWh) weltweit einer der höchsten. Zum Vergleich: Die Menschen in Deutschland liegen da laut der Stiftung Energie & Klimaschutz nicht mal bei 6700 kWh pro Kopf. Norwegen kann sich den hohen Verbrauch auch leisten: Immerhin haben sie Strom im Überfluss, und in der Vergangenheit war er auch günstiger. „Viele Menschen meinen, es gebe mehr als genug Strom, um unsere eigenen Bedürfnisse zu decken“, zitiert Der Spiegel den Chef des Analyse- und Beratungshauses Rystad Energy, Jarand Rystad. Doch damit sei nun Schluss.

Die Probleme anderer Länder ausbaden: Das wollen die Norweger anscheinend nicht mehr. Der Grund ist offensichtlich der Preis. Vor allem in Südnorwegen habe sich der Anstieg der Großhandelspreise überdurchschnittlich bemerkbar gemacht, heißt es. Über Kabel ist die Region direkt mit dem mitteleuropäischen Markt verbunden. „Über diese Kabel exportieren wir unseren Strom nach Europa – und importieren die hohen Preise“, kritisiert der bekannte norwegische Strompreisaktivist Olav Sylte gegenüber dem Spiegel.

Dabei war noch Anfang des Jahres von einer Energiepartnerschaft die Rede. „Wir wollen Gaskraftwerke bauen, die mit Wasserstoff betrieben werden. Dieser Wasserstoff kann und sollte aus Norwegen bereitgestellt werden“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei seiner Norwegenreise im Januar.

Dafür schlossen der norwegische Energieversorger Equinor und der Essener Energiekonzern RWE eine strategische Partnerschaft ab. Habeck und der norwegische Staatsminister waren bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung dabei. Sie beinhaltet unter anderem den Bau einer Wasserstoffpipeline zwischen den Ländern bis 2030.

Der Erdöl- und Energieminister Norwegens, Terje Aasland, ist an Habecks Seite und widersetzt sich der Kritik des Aktivisten Sylte. „Wenn wir die Kabel nach Mitteleuropa kappen würden, müssten wir hier noch mehr Kraftwerke bauen, um unsere Versorgung zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen“, wird Aasland vom Spiegel zitiert. Auch Norwegen sei auf ausländischen Strom angewiesen, wie etwa im letzten Sommer. Deshalb wäre ein Alleingang Norwegens nicht richtig. Europa müsse zusammenhalten.

Mit den Exporten von Strom blieb auch das Land der Gletscher und Seen nicht von der Energiekrise verschont. Der Strompreis stieg an der Börse und im Endeffekt für die Endverbraucher deutlich an: Während der Börsenpreis laut Statista im Juli 2021 bei knapp 50 Euro pro Megawattstunde (MWh) lag, betrug er ein Jahr später rund 250 Euro/MWh. Daneben war der norwegische Strompreis im Juli 2022 aber immer noch niedriger als der deutsche Preis mit 450 Euro/MWh im Schnitt.

Auch wenn sich der Strompreis in diesem Jahr wieder zu erholen scheint, wird der norwegische Strombedarf erheblich steigen. Das zeigt eine Marktanalyse des staatlichen Netzbetreibers Statnett.

In den kommenden fünf Jahren erwartet der Betreiber ein deutliches Wachstum von aktuell rund 140 auf 164 Terawattstunden (TWh) bis 2027 – „ohne einen entsprechenden Anstieg der Stromerzeugung“. Dies bedeute eine negative Nettoenergiebilanz im Jahr 2027.

Deswegen hat Norwegen wohl bereits einen Plan B. Sobald bestehende Konzessionen im Jahr 2028 auslaufen, plant Norwegen, den größten Teil seines Gasleitungsnetzes zu verstaatlichen, teilte Aaslands Öl- und Energieministerium mit. Man wolle damit die Kontrolle über die Schlüsselinfrastruktur verstärken, heißt es. Genauere Angaben zu den Gründen gab es noch nicht.