Das Land fördert „queere“ Projekte in Niedersachsen mit Millionen. Das Ziel: Schwule, Lesben und Transgender sollen vor allem auf dem Land sichtbarer werden.

Niedersachsen will das Leben von Lesben, Schwulen, Transgendern und Transsexuellen (LSBTI) im Land in der Öffentlichkeit bekannter machen. Dafür stockt die rot-grüne Regierung die Förderung für die sich unter dem Sammelbegriff „queer“ versammelten Gruppen massiv aus.

Statt der ursprünglich geplanten 540000 Euro im Doppelhaushalt 2017/2018 gibt das Land 2,74 Millionen Euro für Menschen, die in ihrer Sexualität nicht der Heteronormativität entsprechen. Die zusätzlichen 2,2 Millionen Euro stammen aus der sogenannten „Wunschliste“ der Fraktionen von SPD und Grünen an Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD). Damit haben sich die Mittel vor allem auf Drängen der Grünen mehr als verfünffacht. „Niedersachsen ist vielfältig – mit einer höheren Sichtbarkeit wächst auch die Akzeptanz“, sagt die Grünen-Abgeordnete Julia Willie Hamburg. Bei Gesprächen mit der Community sei die Sichtbarkeit der LSBTI immer ein zentrales Thema gewesen.

Mit dem Geld sollen Veranstaltungen und Projekte besonders im ländlichen Raum gefördert werden: Als erste Schwerpunkte nennt das Sozialministerium die Themen „Lesbisches Leben und Gesundheit“ und die Aufarbeitung der Strafverfolgung homosexueller Männer durch die Behörden.

Zusätzlich zu den bisher drei LSBTI-Zentren in Hannover, Oldenburg und Braunschweig ist im Februar das „Queere Zentrum Emsland“ in Meppen gestartet. Von dort soll noch im Sommer ein „Vielfaltsbus“ in die Region rollen und über LSBTI informieren. In Lüneburg wird in diesen Tagen zudem die Beratungsstelle „Checkpoint Queer“ eingerichtet, im August soll geöffnet werden.

Die bislang meist ehrenamtliche Arbeit wird nicht nur dort mit Stellen unterfüttert: So bekam das „Queere Zentrum Niedersachsen“ (QNN) in Hannover, welches Aktionen im Land unterstützen soll, anderthalb Stellen für Geschäftsführer. Eine davon ist Friederike Wenner. „Wir wollen LSBTI im Alltag sichtbarer machen“, sagte Wenner. Zwar habe der gesellschaftliche Druck auf Homo-, Bi- und Transsexuelle in den vergangenen Jahrzehnten deutlich abgenommen.

Allerdings leiden einer Studie des Deutschen Jugendinstituts von 2015 insbesondere Jugendliche am Gefühl des Andersseins. In einer Onlinebefragung fürchteten knapp drei Viertel der Jugendlichen im Fall eines öffentlichen Bekenntnisses (Coming Out) Ablehnung durch Freunde und Familie. Diese Ängste könnten zu psychischen Belastungen bis hin zu Suizidgedanken und -versuchen führen. „Charakteristisch ist, dass viele Jugendliche versuchen, ihre ,wahren Gefühle‘ über einen längeren Zeitraum zu verdrängen. Während der teils jahrelangen Unterdrückung der tatsächlichen geschlechtlichen oder sexuellen Identität entwickelten sich bei einigen Jugendlichen therapierelevante psychische und psychosomatische Symptome“, notiert die Studie.

Das Sozialministerium geht von etwa 250000 bis 300000 LSBTI-Menschen unter den etwa 7,8 Millionen Niedersachsen aus. Genaue Zahlen gibt es nicht.